„Trainings dieser Art sollten verstärkt angeboten werden“, so die Teilnehmerin eines Lehrgangs in einem Zeitungsinterview. Sie ist eine TeilnehmerIn, die durch das Projekt „1000 Ressourcen“ in Bielefeld einen Arbeitsplatz als Modeberaterin gefunden hat, obwohl das Arbeitsamt für die 46jährige keine berufliche Perspektive mehr sah.


Die Kooperation zwischen
dem Institut INITA gemeinnützige GmbH, Hannover und REGE mbH, Bielefeld:

Projekt 1.000 Ressourcen
- Arbeitsvermittlung auf neuen Wegen  -

1.000 Ressourcen, das sind die 1.000 Fähigkeiten, die langzeitarbeitssuchende SozialhilfeempfängerInnen auf dem Arbeitsmarkt einsetzen wollen, um sich aus der Abhängigkeit von Sozialleistungen zu befreien. Viele Fähigkeiten, die in Unternehmen dringend benötigt werden, bleiben ungenutzt, weil die herkömmlichen Formen der Arbeitsvermittlung nicht greifen. Die Qualifikationspalette von Sozialhilfeberechtigten unserer maximal heterogenen Gruppen reicht von umfangreichen Arbeitserfahrungen als „Ungelernte“ über hochspezialisierte Berufsausbildungen bis hin zu akademischen Abschlüssen, aber auch Analphabeten und Arbeitsunerfahrenen hilft unser Konzept.

Wir bieten qualifizierte Arbeitsvermittlung zum Vorteil für 3 Kundengruppen an:


Unser Ansatz:
Wir vermitteln Menschen mit besonderen Potenzialen in Beschäftigungsverhältnisse, in denen sie ihre persönlichen Stärken gezielt für das Unternehmen einsetzen können.

Das Maßnahmeprogramm umfaßt für jede TeilnehmerIn

Phase 1: Training und Diagnostik
Zum Start ein 8-Wochen-Intensiv-Training mit 20 SozialhilfeempfängerInnen und zwei TrainerInnen pro Kurs, die zeitgleich eine durch Fragebogen und EDV-Auswertung gestützte Potenzialdiagnostik jedes Teilnehmers/jeder Teilnehmerin erheben.

Phase 2: Arbeitsvermittlung
Die anschließende dreimonatige Vermittlungsphase in der die MaßnahmeteilnehmerInnen intensiv bei ihren Bewerbungen unterstützt werden und die TrainerInnen zeitgleich und bezogen auf die jeweiligen persönlichen Potenziale Arbeitsplätze in Unternehmen akquirieren und sich für die Schaffung von Nischenarbeitsplätzen einsetzen. Bei Eintritt in die Vermittlungsphase erhalten alle TeilnehmerInnen als Ergänzung ihrer Bewerbungsunterlagen ein schriftliches Kurzprofil zur Vermittlung, Dem folgt einige Zeit später ein umfangreiches Vermittlungsprofil (ca. 6 Seiten) oder mit der ausführlichen Potenzialanalyse und der Empfehlung der TrainerInnen zur Arbeitsfeldwahl bzw Qualifizierungsplanung.
Das Selbstverständnis der TrainerInnen in der Vermittlungsphase bezieht sich darauf, gleichzeitig Coach der Arbeitsuchenden, AgentIn der Verhandlungsführung in der Statuspassage von der Arbeitslosigkeit in die Beschäftigung, DirektakquisiteurIn von Arbeitsplätzen und InitiatorIn für die Schaffung von Nischenarbeitsplätzen zu sein.

Phase 3: Betreuung nach Arbeitsaufnahme
Nach Arbeitsaufnahme gibt es für ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen die Möglichkeit, die betreuenden TrainerInnen für weitere drei Monate anzusprechen z,.B. zu Themen wie Qualifizierungsplanung, Unterstützung in der Einarbeitunsphase, Kommunikation im Unternehmen oder mit Behörden u.ä.

Das Projekt wurde sowohl wissenschaftlich begleitet und ausgewertet, als auch qualifizierte Qutplacementberatung für Unternehmen, Kommunen und Verbände durchgeführt wurde.

Unsere Projektziele sind:

für Kommunen:

für die SozialhilfeempfängerInnen:  für Unternehmen:


Die Realisierung des Pilotprojektes

Ein Leitsatz des Konzeptes in folgende Worte gefaßt: „Es lohnt sich auf Persön-lichkeitsentwicklung zu setzen.“
Wie ließ sich dieser in  einer arbeitsfähige Struktur realisieren? Diese Frage soll Kern des nachstehenden Kapitels sein.
Im September 1996 entwickelte das Projektentwicklungsteam um Matthias Sell, Martina Adil und Jens Beckmann die ersten Überlegungen für die Projektidee. Ende Oktober befanden sich die Projektkonzeption durch die drei Beteiligten in der nahen End-fassung und die Termine für Projektsteuerungs-, Kollegialer Interventions- und begleitender Supervisionssitzungen waren fixiert, so daß die Stellenausschreibung und -aquisition der TrainerInnen und der wissenschaftlichen Begleitung veröffentlicht werden konnte. Ende November, als die Konzeption ihre Endfassung für Didaktik und Diagnostik erreicht hatte, präsentierten wir das Projekt in verschiedenen Zusammenhängen. Herauszustellen sind die Präsentation bei unserem Kooperationspartner, der REGE mbH und bei der GOAB und der Stadt Offenbach, die schon seit Jahren in der kommunalen Beschäftigungspolitik in der Diskussion stehen. Im Dezember begann die Vorbereitung von Raum und Ort in Bielefeld. Die Büroausstattung mußte gekauft und die Materialien verteilt und verwaltet werden. Nach der Auswahl der ProjektmitarbeiterInnen wurden diese in ersten Treffen über Projektinhalte informiert und in die Ablauforganisation eingearbeitet. Dabei war die Vorqualifizierung der TrainerInnen zur ReferentIn für Organisations- und Teamberatung ebenso hilfreich wie deren individuelle Weiterbildungen.
Im Januar 1997 folgten ein weiters ProjektmitarbeiterInnentraining über Ziele, Inhalte und Methoden, sowie Projektablauforgaisation und Personaleinsatzplanung. Am 13. Januar fanden die ersten Informationsveranstaltungen zur TeilnehmerInnengewinnung des ersten Kurses statt. Die Büro- und Trainingsräume wurden eingerichtet und ausgestattet. Am 20. Januar startete der erste Kurs und mit ihm die Diagnostik und Datenaufnahme in das organisierte EDV-System und die wissenschaftliche Begleitung.
Ab Februar folgte mit dem Start des zweiten Kurses der Arbeitseinsatz aller ProjektmitarbeiterInnen. Die Informationsbeschaffung über Stelleninformation und Arbeitsvermittlung griff auf Standardkanäle und auf die Möglichkeiten der Vernetzung durch das Internet zu. Nachdem der erste, später der zweite Kurs die Trainingssequenz beendeten und in die qualifizierende Vermittlungsphase gingen, sind die diagnostischen Erhebungen in der EDV-Eingabe strukturiert und verkettet worden, so daß sie als eine Grundlage der Vermittlungsprofile geeignet waren. Der Beginn der Vermittlungsphase strukturierte durch die veränderten Aufgaben die Kontaktanbahnung zu den Arbeitgebern. Im Mai begann der dritte Kurs.
 
 

Die Ergebnisse des Pilotprojektes

„Arbeitsvermittlung auf neuen Wegen“ war das Motto mit dem wir im Januar 1997 gemeinsam mit der REGE mbH das Projekt 1.000 Ressourcen starteten. Nach der Durchführung von drei Pilotmaßnahmen, freuen wir uns über einen Erfolg, der unsere ursprünglichen Erwartungen deutlich übersteigt:
 


Arbeitgeber bestätigten uns die Aussagefähigkeit der Vermittlungsprofile und bekundeten ihre Zufriedenheit mit den neuen ArbeitnehmerInnen. Für die TeilnehmerInnen stand im Vordergrund durch die Teilnahme an einem Kurs im Projekt 1.000 Ressourcen handlungsfähiger geworden zu sein, aktive Bewältigungsstrategien gewonnen zu haben und einen Zuwachs an Lernfreude und Selbstvertrauen verzeichnen zu können.

Am Institut INITA gemeinnützige GmbH haben wir nun weitere Module erarbeitet, um die Qualität auf einem hohen und umsetzungsfördernden und -fordernden Standard zu heben. Wir entwickelten Überlegungen zu einem Empfehlungsworkshop zur Erhebung erster Einschätzungen zur Vermittelbarkeit bzw. zum Umgang mit Vermittlungshemmnissen und deutlichen Qualifizierungsbedarfen.
Zusätzlich haben wir ein Modul zur Nachbetreuung durch Metathemenangebote um einen gezielteren Umgang mit den besonderen Erfahrungswelten der nun in Qualifizierung oder sich in der Arbeitswelt wiederfindenden Menschen zu haben. Es stellten sich defizielere Lebensaufgaben der TeilnehmerInnen, die eine supervisorische Intervention in ihre Themen erforderten, heraus. Es ging um Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, den Umgang mit Qualifizierungsdefiziten, Handicaps und die Bewältigung von Krisensituationen und andere.
Ergänzend wurde ein weiteres und intensivierendes Modul der Bewerbungspraxistraining. Hier wurde auf die für das jeweilig gewünschte Berufsfeld angemessene Bewerbungsverhalten eingegangen.
Dazu sind Module, wie
? Dolmetschereinsatz im Training,
? verschiedene Sprachmodule,
? grundlegende Sozialtechniken,
? EDV-Anwenderschulung,
? gezielte Informationsrecherche,
? stützende Hausbesuche und
? Kultur- und Kreativfindung
entwickelt worden.
Alle Überlegungen sind an das umgesetzte Diagnostik- und Potenzialsystem angepasst worden.
 

Ergebnisse und Aussichten 2001

Die aktuellen Erfahrungen und Erfolge im Projekt 1.000 Ressourcen bestätigen unsere An-nahme: Es lohnt sich, in die Qualität einer komplexen Arbeitsvermittlungsmaßnahme für arbeitslose SozialhilfeempängerInnen zu investieren.

Die Synergieeffekte wurden erwartet durch
?  heterogene Zusammensetzung der TeilnehmerInnen  bezüglich Alter (18 bis 52 Jahre), Qualifikation (ohne Arbeitserfahrung bis langjährige Führungskraft), Bildung (AnalphabetIn bis akademischer Abschluß) und Nationalität (Deutsche, AussiedlerInnen, europäische und nicht-europäische AusländerInnen)
? Vernetzung der lokal orientierten Qualifizierungs- und  Arbeitsvermittlungskompetenz der REGE mit dem psychologischen Erfahrungswissen des Institutes INITA und mit lokalen Akteuren in Politik, Verbänden und Unternehmen
? Öffentlichkeitsarbeit nicht über sondern mit den TeilnehmerInnen der Maßnahme
? Stärkung des Selbsthilfepotentials und der persönlichen Autonomie
? Konzentration auf persönliche Stärken und Wachstumspotentiale
? Kundenorientierung in drei Richtungen: Kommunen als Auftraggeber, SozialhilfeempfängerInnen als Maßnahmeabsolventinnen und Unternehmen als Arbeitgeber und Partner zum Erhalt und zur Entwicklung von Nischenarbeitsplätzen
? Investition von Entwicklungselementen für Fach- und Führungskräfte in eine Zielgruppe, der häufig die Verwertung dieses Angebotes nicht zugetraut wird.

Von 12 Trainings- und Vermittlungsmaßnahmen mit insgesamt ca. 200 TeilnehmerInnen konnten ca. 40% in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden. Insgesamt ca. 52 % haben eine berufliche Perspektive mit einem Arbeitsplatz oder einer Qualifizierung begonnen. Die Bandbreite der Arbeitsplätze waren sehr vielfältig, sie reichte vom Krankenpflegebereich, über den Produktionshelferbereich bis zum Computerprogrammierer und Außendienstvertreter.
Der Stadt Bielefeld hat das Pilotprojekt Kosten bei der Sozialhilfe erspart, denn 45% der TeilnehmerInnen können jetzt ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten.
Besondere Beachtung verdient der Umstand, dass die wesentlichen Vermittlungserfolge nach unseren Erfahrungen frühestens nach der 20. Teilnahmewoche zu verzeichnen sind. Dabei ist der Langzeiteffekt  zu bemerken. Die Selbstvermittlungskompetenz steigt mit der intensiven qualitativen, wie quantitativen Betreuung.

TrainerInnensicht
Aus unserer Sicht, d.h TrainerInnenperspektive, waren die wesentlichen Erfolgsfaktoren der Aufbau von kontinuierlichen Beziehungen zu den TeilnehmerInnen, die individuelle Ressourcenentwicklung, die Unterstützung durch die Gruppe und die gelungene Zusammenarbeit im Projektteam. Diese Faktoren förderten einen auf jede(n) TeilnehmerIn abgestimmte(n) Arbeitsplatzsuche.
 
 
 
 
 
 
 

TeilnehmerInnensicht
Die Erfahrungen mit den Kursen sind positiv. Mehrere TeilnehmerInnen haben erstaunliche Entwicklungen durchgemacht, sowohl, was ihre soziale Kompetenz und den Umgang mit Streß anbetrifft, als auch in ihrer Selbstdarstellungsfähigkeit und Zielorientierung. Ein Drittel der TeilnehmerInnen haben gute Vermittlungschancen. Die nicht Vermittelten werden sich durch für sie passende und arbeits-marktorientierte Qualifizierungen eine neue Chance für ein selbständiges Leben schaffen.
Mindestens 80% der TeilnehmerInnen konnten nach eigener Einschätzung im Training Fähigkeiten weiterentwickeln, interessierten sich für die Beschäftigung mit ihren Stärken und Schwächen und für neue Berufsfelder. Auch nutzten und schätzten sie die Möglichkeit zum Bewerbungstraining.
Mindestens die Hälfte entdeckte für sich neue Fähigkeiten und ein neues Arbeitsfeld. Sie beurteilten die Betriebsexkursion als wertvolle Information über Arbeits- und Berufsfelder.
Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ist gewachsen
Selbsteinschätzung aus der wissenschaftlichen Befragung:
? Die Vermittelbarkeit wurde positiver beurteilt
? Der Stellenwert von Aus- und Weiterbildung für Vermittlung ist stark zurückgegangen
? Lernen wurde positiver und realistischer eingeschätzt
? Die Unzufriedenheit mit der Situation des/r SozialhilfebezieherIn erhöhte sich etwas
? Die Bewältigungsstrategien im Umgang mit den Problemen eines/r SozialhilfeempfängerIn verbesserten sich
? Für 8 von 10 TeilnehmerInnen hat sich das Leben durch den Kurs verändert
Für die Vermittlung ergeben sich daraus folgende Verbesserungen:
? psychische Stabilisierung
? Steigerung von Selbstwert und Selbstvertrauen
? größere Bereitschaft zum Lernen, wenn erforderlich
? größere Problembewältigungskapazität
? etwas reduzierte Frustrationstoleranz in Bezug auf Sozialhilfe / Einschränkungen
 

Fazit
Das Projekt 1.000 Ressourcen zielt nicht auf die quantitative Perspektive. Es geht um den exemplarischen Nachweis, daß Kosteneinsparungen sind auch über qualitative Arbeit mit kleinen Fallgruppen zu erzielen sind. Dies ist neben diskreter aber langfristiger Infrastrukturverbesserung auch ein Beitrag zur Diskussion um Nachhaltigkeit.

Es funktioniert.
 

ProjektmitarbeiterInnen und TrainerInnen:
TrainerInnen: Beatrix Menke, Elke Konieczek, Claudia Engel, Kerstin Adams (Richter), Sabine Buchholz, Malene Kräge, Elke Frommhagen
Koordination: Martina Adil
Wissenschaftliche Begleitung: Dr. Irene Kehler
Projektleitung, Trainer und Service: Jens Beckmann
Projektsupport: Klaus Krauth, Ingeborg Wolf, Simone Linke, Ingrid Schwarz
Supervision: Ulrike Sell, Hans-Werner Hemp
Geschäftsführung: Matthias Sell